Ewiger Jude

Ewiger Jude
Ewiger Jude,
 
Legendengestalt, ein zu ewiger Wanderung verurteilter Jude. Der Ursprung der Legende beruht auf verschiedenen Quellen; u. a. trug das Motiv des Kriegsknechtes Malchus (Johannes 18, 4-10) zur Entstehung der Legende vom wandernden Juden bei. Schriftlich fixiert erscheint sie im 13. Jahrhundert in Italien; so findet sich in den »Ignoti Monachi Cisterciensis Sanctae Mariae de Ferraria Chronica. ..« unter dem Jahr 1223 die Mitteilung, christliche Pilger hätten in Armenien einen Juden gesehen, der einst den kreuztragenden Christus angetrieben und nun bis zu Christi Wiederkunft umherirren müsse. Auch in den »Chronica Maiora« des Matthäus Parisiensis (1240) sowie in späteren italienischen Chroniken und Pilgerberichten wird der wandernde Jude erwähnt, in der Folge oft unter dem Namen Buttadeus. Zwischen 1400 und 1500 gelangte die Legende über Italien hinaus in das gesamte Mittelmeergebiet, v. a. nach Spanien und Portugal. Um 1600 wird der Ewige Jude erstmals Ahasver genannt: Die »Kurtze Beschreibung und Erzehlung von einem Juden mit Namen Ahasverus« (1602) beschreibt ihn, wie er, in ein Büßergewand gehüllt, unter dem Fluch Christi ruhelos von Land zu Land irrt, als lebendes Zeugnis der Kreuzigung. Ahasver wurde Gegenstand eines Volksbuches und vieler Volkserzählungen. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde sein Schicksal ein sehr fruchtbares Motiv in Lyrik, Drama und Epik. Goethe gestaltete es in einem Epos (Fragment, 1774), die Romantiker in Gedichten (W. Wordsworth, P. B. Shelley, Wilhelm Müller, A. von Chamisso, N. Lenau) und im Drama (A. von Arnim, »Halle und Jerusalem«, 1811). Der Ewige Jude erschien als Bild des Leidens und der Einsicht in die eigene Schuld. C. R. Maturin verband in dem Roman »Melmoth der Wanderer« (englisch 1820) das Motiv mit dem Faust-Stoff. Ahasver erschien dann als Symbol des Weltschmerzes (J. C. von Zedlitz) und als Begegnungsfigur mit anderen sagenhaften und historischen Gestalten (E. Sue: »Der ewige Jude«, französisch 1844, Roman; R. Hamerling: »Ahasverus in Rom«, 1866, Epos). Sein Schicksal wurde zu dem des Judentums in Beziehung gesetzt (E. Duller, F. Mauthner), seine Erlösbarkeit aus christlicher Sicht diskutiert (Carmen Sylva: »Jehova«, 1882, Epos; A. Wilbrandt: »Der Meister von Palmyra«, 1889, Drama), seine Figur in ein atheistisches Konzept eingebracht (in den Romanen von P. Lagerkvist: »Sibylla«, 1956, und »Ahasverus Död«, 1960). S. Heym nutzte die Gestalt (Roman »Ahasver«, 1981) für satirische und zeitkritische Absichten.
 
 
W. Zirus: Ahasverus, der e. J. (1930);
 G. K. Anderson: The legend of the Wandering Jew (Providence, R. I., 1965);
 
Ahasvers Spur. Dichtungen u. Dokumente vom »E. J.«, hg. v. M. Körte u. R. Stockhammer (1995).
 

Universal-Lexikon. 2012.

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